Speedbelt
Ein vollkommener Dreiviertelkreis
Keine Aussicht auf Ruhe im Schädel
Ein transdisziplinäres Projekt, in dem eine Sängerin, zwei Schauspielerinnen und eine Videokünstlerin eine gemeinsame Sprache suchen, um Denkräume auf anderen Ebenen als der täglichen Zeitungslektüre zu öffnen.
Elfriede Jelinek hinterfragt in „HeimWelt“, den Begriff Heimat und auf Herkunft basierende Identität, zeigt auf, wie sich politische Zusammenhänge im Persönlichen widerspiegeln und schafft Figuren und Bilder die repräsentativ sind für Vorgänge im kollektiven Unterbewusstsein. Abgewiesene Asylbewerber werden gezwungen die Schweiz zu verlassen, unabhängig davon, wie viele Jahre sie schon in der Schweiz gelebt, gearbeitet, Steuern bezahlt oder gar eine Familie gegründet haben. Wehren sie sich gegen den Transport, werden sie gefesselt und gewaltsam ins Flugzeug gesetzt – Folgen der Abstimmung über das Zwangsmassnahmengesetz aus dem Jahre 1994. Der Dokumentarfilm „Vol spécial“ von Fernand Melgar offenbart in dieser Hinsicht öffentlich kaum thematisierte Fakten über das Ausschaffungsverfahren der Schweiz. Speedbelt entwirft ausgehend von Elfriede Jelineks „Totenauberg“ und dokumentarischem Material zum Ausschaffungsverfahren mögliche Szenarien, wie unsere politische Teilnahme, unser politisches Verhalten sich auf die jetzige Flüchtlingsthematik auswirken kann.
Welchen Umgang mit dem immer neuen Fremden brauchen wir, um uns in der Gegenwart „heimelig“ zu fühlen? Wann geht die „westliche“ Freiheit nicht mehr über alles? Wo kommen Gesetz und Menschlichkeit in Konflikt? Und wie gehen Menschen, die für ein System arbeiten, mit diesen Grauzonen zwischen Pflicht gegenüber dem Staat und emotionaler Involvierung um?
Drei Frauenfiguren - „Flight Attendants“ in einem abstrakten Sonderflugraum - stehen für die scheinbare Allgemeingültigkeit eines Gesetzes. Strahlen sie anfangs Klarheit und Kälte aus, verwandeln sie sich im Laufe des Geschehens von unantastbaren Göttinnen in verletzliche Wesen voller Zweifel und Unzulänglichkeit. Denn die Kontrolliertheit der Gesetzesrepräsentantinnen wird durch eine „Gesetzestreulose“ ins Wanken gebracht. Diese Flight Attendant ist anders als ihre drei kalten Schwestern – die Inkorporation ihres (schlechten) Gewissens. Sie schafft ein identitätsstiftendes Gefühl von Gemeinschaft, an anderen Stellen erinnert sie an den drohenden Tod – keine Aussicht auf Ruhe im Schädel...
„Heimat steht im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Unsicherheit, Geborgenheit und Ungeborgenheit, Nähe und Ferne, Vertrauen und Misstrauen. Die Geborgenheit und Sicherheit wird in immer wieder neuen Erschütterungen in Frage gestellt, wodurch ein sentimental-naives Festhalten an dem, was man schon hat, verhindert wird. Die Bindung wird durch das Fremde vertieft und steht dadurch einem Sich-Ö̈ffnen und Freiwerden des Menschen nicht im Weg.“
Karen Joistens (Philosophie der Heimat)
Speedbelt ist ein neues transdisziplinäres Kollektiv, das sich primär mit Themen aus Politik und Gesellschaft auseinandersetzt. Die vier Frauen aus der Schweiz, Deutschland und Kroatien, die in ihrem Master Theater in Bern zusammenfanden, zeichnen sich durch ihre Vielfältigkeit aus. Durch unterschiedliche professionelle und künstlerische Hintergründe ergänzen Sie sich optimal und profitieren gegenseitig von ihren Fähigkeiten. Sie verbinden Schauspiel mit Tanz und Musik und unterstützen das visuelle Erleben durch den Einsatz von Video und Projektionen. Die Zusammenarbeit findet ohne festgelegte Hierarchien und projektbezogen statt.