Olivia Ronzani
io attraverso lei
Bei einem Frühlingsputz in Olivias Elternhaus kam ihr das Nähkästchen ihrer nonna in die Hände. Sie erbte es vor 20 Jahren nach ihrem Tod. Es wird traditionell im weiblichen Stamm der Familie weitergereicht und Olivia ist die einzige Enkelin. Die Zugehörigkeit dieses Objekts zu ihrem Besitz hat somit ihre Weiblichkeit bestätigt.
Welche performative Bedeutung hatte das Nähkästchen für ihre nonna, welche für sie? Anhand der beispielhaften Biografie ihrer Grossmutter - einer Modistin, Mutter und Italienerin in zweiter Generation in der Schweiz - begibt sie sich auf eine Spurensuche und verhandelt dabei Rückschlüsse ziehend eigene Identitätsfragen.
Mit dem Nähkästchen, der Projektion von privaten Videoaufzeichnungen aus den 40er und 50er Jahren sowie mit Live-Videoaufnahmen und physischer Bewegung, nähert sie sich der Fragilität eigener und fremder Erinnerungen. Dabei stellt sich Olivia die Fragen, was es für eine kulturelle Praxis ist, Objekte einer verstorbenen Person zu behalten, woher der Wunsch nach dem nostalgischen Erinnerungs-Moment kommt und inwieweit Erinnern auch eine physische Erfahrung ist. Es entsteht ein Stück zwischen poetischer Schichtung und archäologischem Operationstisch für alle, die sich hin und wieder in eigenen und fremden Erinnerungen verlieren und sich fragen, warum sie das Hochzeitskleid ihrer Grossmutter immer noch haben, obwohl sie schon lange entschieden haben, nie zu heiraten.
Olivia Ronzani entschied sich nach dem einjährigen fotografischen Propedeutikum an der écal in Renens ihrem Körper als Ausdrucksmittel, künstlerisches Medium und Verhandlungsraum näher zu kommen. 2017 schloss sie den Bachelor an der Accademia Teatro Dimitri in Physical Theatre ab. Davor war sie Schauspielerin im jungen theater basel, wo sie heute einen Theaterkurs für Jugendliche leitet. 2017 gewann sie den Migros-Kulturprozent Bewegungstheater Wettbewerb. Olivia Ronzanis künstlerische Arbeit befindet sich an der Schnittstelle zwischen Tanz, Theater und Performance. Sie kollaboriert mit verschiedenen Künstler*innen. Seit 2018 forscht sie mit dem Soundkünstler Lukas Stäuble am Zusammenspiel von Sound und Bewegung. In «io attraverso lei» widmet sie sich in der Zusammenarbeit mit Robin Nidecker zusätzlich dem Zusammenspiel von Video und Körper.
Konzept, Performance: Olivia Ronzani (*1994)
Video, Projection Mapping: Robin Nidecker (*1992)
Sound: Lukas Stäuble (*1993)
künstlerische Mitarbeit: Camilla Parini (*1984)
künstlerische Mitarbeit: Anna Renner (*1994)
Bühne, Kostüm: Junda Natascha Dietze
Lichtdesign: Max Windisch-Spoerk
Produktionsleitung: Luisa Cadonau (*1992)
produziert von Landholz Productions
in Koproduktion mit Roxy Birsfelden